Das Kätzchen

Freitag Ende Oktober, der Beginn der Herbstferien. Er war noch so klein. Ein 20 Zentimeter kurzes, grau-braunes Fellknäuel auf vier Pfötchen, das alleine durch die Straßen wanderte. Keine Mutter, keine Geschwister. Einsam. Ausgesetzt zwischen den Häusern und Gärten, die ihm keinen Schutz vor dem Regen boten. Es war kalt, und es regnete in Strömen. Er suchte nach Wärme, nach seiner Familie. Er klagte mit feinem Stimmchen, aber niemand hörte sein Weinen. Der Kleine war doch noch so winzig, viel zu jung zum Jagen. Er wusste ja nicht einmal, was Jagen ist, geschweige denn wie das gehen sollte. Und er hatte Angst, so große Angst. Da waren fremde Stimmen von fremden Wesen, die viel größer waren und unfreundlich. Sie achteten nicht auf ihn. Er war nur irgend so ein kleines Wesen, das herumstreunte.

Zuerst verkroch er sich stundenlang, wo es nicht ganz so nass war. Die Kälte blieb. So vergingen zwei Tage. Doch der Hunger trieb ihn wieder aus seinem Versteck und auch seine Sehnsucht nach Wärme und nach seiner Familie. Endlich rappelte er sich auf und suchte im Regen nach etwas Fressbarem in den Gärten ringsum. In einer Nacht fand er einen Garten, wo Igel wohnten. Die Igel wurden von einem dieser unheimlichen fremden Wesen jeden Abend am Haus gefüttert. Daher versuchte auch er am Tage etwas vom Futter zu erhaschen. Aber die Schale war leer.

Der Mensch, der die Igel fütterte hatte ihn aber bemerkt, wie er suchend über die Terrasse streifte und am leeren Napf die angetrockneten Reste des Futters sorgsam ableckte. Daher wurde der Napf von nun an auch tagsüber gefüllt.

Der Kleine kam von da an, bevor die Igel ihm alles wegfraßen. Mit vollem Bäuchlein trollte er sich nach dem Essen wieder in den Regen hinaus, hin zur zugigen Scheune, die ihm nachts etwas Regenschutz bot. Kalt war es da aber trotzdem.

Nach zwei Tagen stand die Futterschale in einem komischen Verschlag. Das Futter roch viel besser als vorher. Es gab daher keinen Grund dort nicht hineinzukriechen und im Transportkorb zu fressen.

Am dritten Tag stand statt des Korbs eine lange Holzkiste, die mit Futter lockte. Den untersuchte der Kleine erst einmal sehr genau. Er war misstrauisch, denn die Kiste roch anders. Er versuchte von außen an das Futter zu gelangen, gab sich wirklich alle Mühe, aber es klappte leider nicht. Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und wagte ein paar Schrittchen in die Kiste hinein. Es dauerte ein Weilchen, bis er das Futter erreicht hatte. Er hatte große Angst.
Dann fiel die Falltür zu….

Das kleine Wesen wurde von einem Tierschutzverein aufgenommen. Es war etwa 10-12 Wochen alt und viel zu jung, um alleine in Regen und Kälte herumzulaufen und nach Futter zu suchen. Der kleine Kater brauchte noch seine Mutter, ihre Wärme und Fürsorge. Er wurde herzlos ausgesetzt. Irgendwo im Dorf, wo man dachte, dass er gut aufgehoben war, weil die große alte Scheune dort steht. Der Kleine aber hatte viel zu große Angst, um irgendwo bei Fremden um Hilfe zu betteln. Er war sehr scheu. Wie sich aber nach einem Tag im Tierheim herausstellte, war er ein sehr verschmustes Wesen und kein Wildling, der Menschen meidet.

Er hätte die kommenden Wochen nicht auf sich allein gestellt überlebt. Leider sind viele Menschen inzwischen derart verroht, dass sie Tierleid erst gar nicht wahrnehmen. Sie sehen so ein kleines Wesen herumlaufen und denken sich absolut nichts dabei. Da ist weder Erbarmen, noch Einfühlungsvermögen und schon gar nicht die Kenntnis, dass solche Winzlinge ohne Mutter zum Sterben verurteilt sind. Die meisten Anwohner und Anwohnerinnen denken wohl „ach der gehört schon jemandem“, bedenken aber nicht, dass solch junge Wesen auf der Straße absolut nichts zu suchen haben. Aber man will sich ja nicht einmischen, man will keinen Krach mit anderen. Also kümmert sich auch niemand, und es ist den Leuten schlichtweg schnurz egal, ob so ein Tierchen Hilfe braucht. Hauptsache sie haben keinen Ärger. Und wenn das Tierchen stirbt, dann ist das eben „Natur“.

Zum Glück wurde das kleine Katerchen entdeckt und in Sicherheit gebracht. Inzwischen lebt der Kleine bei verantwortungsvolleren Menschen und hat hoffentlich ein langes, glückliches Katzenleben.

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