Besuch wie aus einer vergangenen Zeit

2018 – im April saß ich auf meiner Terrasse und schaute zur Überdachung hinauf. Sekundenlang war ich wie paralysiert vor Faszination: Ein wirklich sehr großer, schlanker Käfer war dort gelandet. Er krabbelte ein wenig herum und flog dann nach kurzer Inspektion meiner Terrassenüberdachung wieder weg. Es war ein kurzer Besuch, den ich glücklicherweise mit Fotos belegen konnte.

Das ist nun fast fünf Jahre her, und ich habe einen solchen Käfer seitdem nicht wieder gesehen. Der Besucher war ein Heldbock. Faszinierend, beeindruckend und so wunderschön!

Für einen Kleinen Heldbock war er eigentlich etwas zu groß. Aber die tiefschwarze Färbung seines Körpers spricht für einen Kleinen Heldbock.
Der Kleine Heldbock oder auch Kleine Eichenbock (Cerambyx scopolii) hat eine Länge von 17-28 mm. Der bei mir gelandete Käfer hatte allerdings eine Körperlänge von etwa 45 mm, was für einen Große Eichenbock (Cerambyx cerdo) spräche, der 24 bis 53 Millimeter lang wird und der zu den größten Käfern Mitteleuropas zählt.
Der Große Heldbock ist allerdings vom Aussterben bedroht und daher so selten, dass ich kaum glaube, dass ein solch seltenes Exemplar sich auf meine Terrassenüberdachung verflogen hat.
Selbst das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz konnte mir bei der Bestimmung nicht viel weiterhelfen, denn ich konnte den Käfer nur von der Unterseite und zudem nur durch das dicke Überdachungsglas fotografieren und die Mitarbeiterin des Ministeriums war ebenso ratlos wie ich.
Durch eine der Aufnahmen, die den Käfer ein wenig von der Seite her zeigt, meine ich aber keine farbliche Nuance erkennen zu können, sondern nur ein regelmäßiges Tiefschwarz. Das spricht für den Kleinen Heldbock.

Der seltene Besucher war ein Männchen, dessen Fühler länger sind als der Körper

Wer ist der Kleine Heldbock?
Wissenschaftlich heißt er: Cerambyx scopolii (Fuessl., 1775), aus der Familie der Bockkäfer (Cerambycidae) und der Unterfamilie der Cerambycinae und aus der Gattung Cerambyx. Er wird auch Kleiner Eichenbock genannt, Skopolis Bockkäfer, Buchenbock, Runzelbock oder Buchenspießbock. Solche Namen sind oft regional entstanden.

Die erwachsenen Käfer findet man normalerweise im Juni und Juli auf blühenden Sträuchern, an Waldrändern oder an Obstbäumen. Mein Exemplar war schon im April unterwegs, jedoch der Klimawandel und die damit verbundenen allgemein längeren und früher eintretenden Warmphasen lassen inzwischen viele Insekten früher aus der Winterruhe aufwachen.
Die Larven von Cerambyx scopolii leben vor allem in armdicken Ästen von Laubbäumen (nicht Totholz, sondern lebende Bäume). Sie entwickeln sich anfangs unter der Rinde von verschiedenen Laubbäumen (vor allem Obstbäumen), später fressen sie sich tiefer ins Holz hinein. Die Raupen können durchaus bis zu 50 mm lang werden. Nach zwei Jahren verpuppen sich die Larven in einer Kammer im Holz. Die adulten Käfer schlüpfen im Mai aus. Die erwachsenen Käfer ernähren sich von Pollen, Nektar und Baumsäften.
Weil rund um mein Dorf recht viele Obstbaumplantagen sind, könnte dieser Umstand das Vorhandensein des Kleinen Heldbocks bekräftigen.

Cerambyx scopolii wurde bislang nicht unter Schutz gestellt, obwohl er als „gefährdet“ in der Roten Liste eingestuft wird und der Bestand immer weiter zurückgeht.

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