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Gelähmt…

Seit Monaten unfähig, zu schreiben. Keine Worte mehr finden. Die Menschenwelt ist aus den Fugen geraten.
Das Grauen hat mehrere Namen: Krieg, Klimakrise, Artensterben.

Wieder einmal beweist die Menschheit ihre Grausamkeit, ihren miesen Charakter, ihre Empathielosigkeit und Verrohung.
Ich habe immer noch nicht meine Sprache wiedergefunden. Es ist als seien Zunge, Finger und auch die Gedanken gelähmt, das auszudrücken, was ich angesichts der unheilvollen Ahnungen empfinde.

Uns ging es jahrzehntelang schrecklich gut. Wir Menschen im Westen leb(t)en übersättigt in einem unglaublichen Wohlstand, der uns dazu verleitete, immer mehr Annehmlichkeiten einzufordern. Das Wachstum unseres Reichtums schien grenzenlos. Niemand machte sich darüber Gedanken, ob für all den Luxus, den wir erfuhren (und noch erfahren) nicht am Ende ein Preis zu zahlen sei. Niemand stellte diese überaus lange Friedenszeit in Frage. Kaum jemand machte sich Gedanken darüber, dass der wachsende Populismus in unserer Welt eine Gefahr darstellen könnte.
Die meisten Menschen in Europa schwelgten einfach sorglos weiter in ihrem Konsum. Die Welt der Werbung sorgte dafür, dass die Wünsche wuchsen, dass ein Lifestyle geprägt wurde, der aus Konsum besteht, der grenzenlose Gier erzeugt. Selbstkontrolle und -disziplin gerieten in Vergessenheit. Und letztendlich verstärkte die Coronapandemie das Fehlverhalten vieler Menschen. Die einst vitale Streitkultur zum Beispiel ging vielfach verloren und wurde ersetzt durch die Unfähigkeit, mit Kritiken konstruktiv umzugehen. Egoismus wächst wie ein Krebsgeschwür, erzeugt Aggression, Gewalt, Brutalität. Sozialkontrolle wird gerügt, ein positives Sozialverhalten wird durch die herrschende Ellbogengesellschaft verdrängt, ausgemerzt.
Wer den Mund aufmacht, wird ausgegrenzt, bedroht, geschlagen. So manch ein ehemals freundlich anmutender Mitbürger mutierte in den letzten Jahren zum Monster. Zuhören und Selbstkritik waren gestern.
Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die sich so machtlos fühlt, diesen Entwicklungen entgegenzutreten.

Und dann noch dieser Krieg im Osten! Es ist nicht mehr weit, bis Tyrannen dieser Zeit erwachsen und wie Pilze aus dem Boden sprießen. Genügend Machthaber fordern bereits das Recht ein, morden zu dürfen. Immer häufiger dringt das Rasseln der Säbel bis in die Schlafzimmer von uns Wohlstandsverwöhnten. Aus Furcht wird irgendwann Angst, und Angst verstärkt den Trieb, das Überleben zu sichern – rücksichtslos.

Wo sind die Proteste gegen den Krieg und gegen die brutalisierten Machthaber? Wo sind die Kritiker*innen, die das Abdriften unserer Gesellschaft in die Unmenschlichkeit verhindern möchten?

Und schließlich die Klimakrise, die längst keine Krise mehr ist, sondern eigentlich die beginnende Apokalypse. Der sogenannte Tipping Point ist längst erreicht. Trotzdem wird noch immer alles schöngeredet, versuchen Wissenschaftler*innen noch immer die ultimative Wende heraus zu forschen, die es in Wahrheit nicht mehr gibt. Manche warnen heute vor unumkehrbarem Artensterben, das schon vor über 50 Jahren begann. Diese Warnung kommt viel zu spät.

Den meisten Menschen um mich herum ist es eigentlich herzlich egal, ob da irgendeine Schneckenart ausstirbt oder irgendein Käfer verschwindet. Nicht egal ist hingegen, wenn die Markenklamotten teurer werden, der Konsum bei Reisen eingeschränkt werden muss, weil das Haushaltsgeld sonst nicht reicht.
Lebensgrundlage ist für die Mehrheit der Bewohner*innen Deutschlands der tägliche Konsum. Natur war etwas für Steinzeitmenschen, aber um Himmels Willen nicht für den aufgeklärten Nachbarn im 21. Jahrhundert! Nicht zuletzt haben sich die Menschen in Mitteleuropa inzwischen so stark von der Natur entfernt, dass sie eher in der Lage sind, den Sound der Auspuffanlage eines getunten Ferraris in ihrer Umwelt zu identifizieren als den Gesang eines Grünfinken.

Man kann nur schützen, was man kennt. Da die Menschen in Europa ihre natürliche Umwelt nicht mehr kennen, werden sie auch nicht vermögen, sie zu schützen. Allein dadurch ist das Aus der Welt, wie wir sie kennen, bereits besiegelt – auch ohne Krieg.

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