Das Leid vor der Haustür

Es gibt Menschen, die schaffen sich ein Haustier an und sind anschließend mit der Pflege und der Versorgung des Tieres vollkommen überfordert.
Die Meldungen von ausgesetzten Haustieren häufen sich in den letzten Monaten in bedenklichem Maße. Wenn solche Tiere schließlich gefunden werden, ist das in gewisser Hinsicht ein Glück für sie. Sie haben dann wenigstens die Chance auf ein besseres Leben.

Ganz anders ist es mit den Haustieren, die bei ihren Besitzer*innen verbleiben und verwahrlosen. Diese Tiere leiden täglich still vor sich hin, und niemand ist da, ihr Leid zu mindern. Nachbarn scheuen sich überwiegend, etwas zu sagen oder zu unternehmen. Sie sehen das Leid des Tieres, gewöhnen sich daran und gehen ihrer Wege oder tun so, als wäre alles in Ordnung. Andere Menschen sprechen die Verwahrloser*innen an und ernten in Folge Beschimpfungen, Aggression oder Ignoranz. Nicht zuletzt die Angst vor Bedrohung und anderen negativen Reaktionen hindert viele Menschen daran, Tierleid anzusprechen und öffentlich zu machen. Es ist einfacher wegzuschauen, damit der eigene Lebensfrieden ungestört bleibt.
Wen kümmert schon die Nachbarskatze, die abgemagert und humpelnd durch den Garten schleicht? „Das geht mich nichts an“ und „das ist deren Sache“ ist eine häufige Begründung für das mitleidlose Wegsehen und Schweigen der Gesellschaft.
Ich konnte noch nie wegschauen. Es bricht mir das Herz, wenn ich Tierleid sehe.

Seit vier Wochen besucht mich ein neuer feliner Tierschutzfall und miezt mich des Öfteren gegen 5 Uhr morgens aus dem Schlaf. Ich kenne den sehr freundlichen Kater seit seiner Jugend. Er ist eigentlich ein sehr zierliches Tierchen. Leider wurde er seit vielen Jahren trotz Protest der Besitzer von fremden Menschen gefüttert. Mit den Fremdfütterern zu sprechen, entpuppte sich als nicht zielführend. Sie machten einfach weiter – uneinsichtig, gleichgültig und auch hartherzig. Sie hörten nicht auf, dem Kater Futter anzubieten. Zuletzt kam das inzwischen korpulente Tier nicht mehr zu seinen Eigentümern nach Hause. Schließlich übereigneten die Besitzer*innen ihr Tier diesen uneinsichtigen Leuten.
Die neuen Besitzer mästeten den zutraulichen und inzwischen 13jährigen Kater weiter bis er nun so viel Übergewicht hat, dass er sich nicht mehr schmerzfrei bewegen kann. Er vermeidet zu springen. Er kann seinen Körper im hinteren Bereich nicht mehr säubern. Seine Hinterläufe sind sichelförmig verformt und die Oberschenkelknochen von der Hüfte aus abgespreizt. Sein stumpfes Fellchen ist verfilzt mit Placken von bis zu 5 cm Durchmesser. Der gesundheitliche Zustand ist besorgniserregend. Katzen leiden still. Die Folgen eines solchen physischen Zustands bei Katzen sind grausam: Leberverfettung und Nierenversagen, Diabetes, Fliegenmadenbefall, Ermüdungsbrüche der Gliedmaßen, Darmprobleme und so einiges mehr. Viele dieser Erkrankungen führen bei Nichtbehandlung unweigerlich zum Tod. Ein langsamer und grausamer Tod.

verwahrloster Kater Mai 2023

Den Besitzern scheinen die Folgen von Übergewicht und mangelnder Körperpflege nicht bewusst zu sein. Vielleicht scheuen sie sich aber auch vor den Kosten eines Tierarztbesuches?
Und den Nachbar*innen dieser Leute scheint das gesundheitliche Schicksal des freundlichen und so sehr menschenbezogenen Katerchens gleichgültig. Alle schauen weg.

Ist aber Wegschauen eine Option?

links: 2013 – rechts: 2023

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